Chemnitz. Dem Bund Deutscher Radfahrer (BDR) war eine Reise zu den Bahnradsport-Europameisterschaften in Plovdiv (11. bis 15. September) zu heikel. Maximilian Levy aus dem Chemnitzer Team Theed Projekt Cycling hat indes trotz stark gestiegener Covid-19-Infektionszahlen in Bulgarien die Reise angetreten.  „Ich habe keine Angst, aber Respekt vor dem Virus. Und ich möchte unbedingt bei dieser EM starten“, sagte der viermalige Weltmeister vor der Abreise am Montag. Nachdem der Bahnradsport seit dem Ende der Heim-WM Ende Februar nahezu vollends zum Erliegen gekommen war, brennt der Cottbuser auf die Rückkehr ins Oval. „Ich möchte endlich wieder meiner Passion nachgehen und in den sportlichen Wettstreit treten“, so Levy.

Bevor Levy mit seinen Begleitern Michael Hübner, Sportlicher Leiter im Team Theed Projekt Cycling,  und Physiotherapeut Thomas Halbhuber in den Flieger steigen konnte, lag nach Wochen intensiven Trainings auch viel logistische Arbeit hinter dem 33-Jährigen. „Wir mussten uns vor allem das nötige Wissen rund um die Corona-Regeln verschaffen. Das war sehr zeitaufwändig, aber das Gesundheitsamt hat mir sehr akkurat geholfen“, erklärte Levy, der am Freitag in Frankfurt (Oder) negativ getestet wurde. Vor Ort im Kolodrum-Velodrom sei ein weiterer Test geplant, mit dem Levy im besten Fall am Sonntag wieder nach Deutschland ohne Quarantäne einreisen kann.

Nach der Einstufung Bulgariens als Risikogebiet musste Levy erst Überzeugungsarbeit beim BDR leisten, um als Einzelstarter für Deutschland dabei zu sein. „Ich bin immer gut damit gefahren, nicht gleich das erste Nein zu akzeptieren“, sagte Levy, der mit der gebotenen Vorsicht die Wettkampfreise angetreten ist. Der BDR bewertete die Situation indes anders. „Wir sehen bei einer Indoor-Veranstaltung ein zu großes Risiko, auch im Hinblick auf eine mögliche weitere Verbreitung des Virus nach Rückkehr unserer großen Delegation“, erklärte BDR-Generalsekretär Martin Wolf. Um einer möglichen rechtlichen Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen, stimmte der Verband letztlich einem Einzelstart zu.

Anfang des Jahres hatte Levy die Europameisterschaften in Bulgarien gar nicht in seiner Saisonplanung, für den Sprinter zählen eigentlich nur noch die Olympischen Spiele, die 2021 in Tokio nachgeholt werden sollen. Nach drei Medaillen 2008 und 2012 (Silber Keirin, 2 x Bronze Teamsprint) und einem eher unglücklichen Verlauf von Olympia 2016 in Rio de Janeiro will der Routinier im Herbst seiner Karriere noch einmal seine Weltklasse zeigen. Trotz einer nicht optimal verlaufen Heim-WM in Berlin galt die Qualifikation als geschafft, ehe ab März Corona auch den Bahnradsport fast zum Stillstand brachte. Lediglich bei einem Grand Prix in der Slowakei und einem nationalen Rennen in Rostock war Levy seit der WM am Start – ansonsten wurde seit Juni eisern trainiert.

„Die Situation ist irgendwie frustrierend. Es fällt schon schwer, sich immer nur für das Training zu motivieren. Viele Sportarten funktionieren, nur bei uns im Bahnradsport geht gar nichts. Da wurden wir auch im Weltverband UCI im Stich gelassen“, sagte Levy. Immerhin ist nun der Start in Plovdiv möglich. „Ich bin nun mal Berufssportler und will Rennen fahren. Ich freue mich, dass der BDR meiner Argumentation gefolgt ist“, erklärte Levy, der den Vorteil hat, nicht Angehöriger der Bundespolizei und Bundeswehr zu sein, die noch eigene Corona-Regeln für ihre Sportler aufgestellt hat. Auf der anderen Seite musste er sich nun komplett um die Logistik für sich und seine Betreuer alleine kümmern. „Aber das ist es mir wert“, sagte er, der angesichts Corona die gebotene Vor- und Umsicht walten lassen wird.

Bei Levys Start stünden ausschließlich sportliche Gründe im Vordergrund – was die Preisgelder der UEC belegen. Für einen Einzelsieg gibt es 670 Euro. „Meine Motivation ist nicht das Geld. Ich habe soviel auf mich genommen, um im nächsten Jahr zum vierten Mal bei den Olympischen Spielen dabei zu sein. Es geht mir um den Wettkampf“, sagte Levy. Trotzdem macht der dreifache Olympia-Medaillengewinner auch auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise aufmerksam. Die Sechstage-Saison ist komplett abgesagt, PR-Termine sind deutlich rarer als vor Corona gesät. Auf bis zu 40.000 Euro schätzt Levy die Einnahmeverluste für 2020 und 2021. „Solange es nicht wirklich an die Existenz geht, muss ich damit leben“, sagte der dreifache Familienvater. Immerhin habe die Deutsche Sporthilfe die Elite-Plus-Förderung für 2021 unkompliziert verlängert. Und auch das Chemnitzer Profi-Team Theed Projekt Cycling, für das Levy seit 2012 fährt, sei seinen Verpflichtungen nachgekommen.

Sportlich geht Levy in Plovdiv in Sprint und Keirin an den Start. Bei internen Rennen konnte er zuletzt mehrfach mit starken Zeiten überzeugen. Besonderes Augenmerk liegt auf dem Keirin. 2013 in Apeldoorn und bei der Heim-EM 2017 in Berlin holte er sich in seiner Spezialdisziplin den Titel. „Bei mir lief es zuletzt rund, was meine Verfassung angeht“, so Levy, der mit einem guten Abschneiden auch wichtige Punkte in der Nationenwertung für den BDR sammeln kann. Dass auch andere Nationen auf eine EM-Teilnahme verzichtet haben, spielt für den Routinier keine Rolle. Maximilian Levy: „Es gibt dort trotzdem nichts geschenkt. Ich hoffe, dass Plovdiv irgendwie funktioniert, um einen Abschluss unter dieses verkorkste Jahr zu finden.“

Ansprechpartner:

Michael Gertig

1. Vorsitzender Verein Team 2012 e.V.

m.gertig@team2012.com

Telefon: +49 173 3970 322